Hinter der Fassade

Hinter der Fassade"Die Leute müssen nur wissen, was du bist, nicht wer du bist."
Das bringt Frankies Vater seinem Sohn bei, und dieser macht es sich zu seinem Lebensmotto.

Das, was wir sehen, entspricht nicht immer der Wahrheit, und die Wahrheit kann häßlich sein.

In diesen vier Geschichten wird hinter die Fassaden geschaut, aber jedes Mal aus einem anderen Blickwinkel.

FRANKIE - Ein Italiener macht in Deutschland Karriere. Mit allen Mitteln.

UNGEZIEFER - Auch in der Zukunft wird es Bestien geben, die sich nur schwer ausrotten lassen.

LIEB SCHWESTERLEIN MAGST RUHIG SEIN - Alles zieht Kreise und manchmal kommt es so, wie man es befürchtet hat.

ELEONORE - Wo die "Liebe" hinfällt ...


1. Auflage Juli 2014

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Preis: € 0,99

 

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Leseprobe

Als er das Oberteil seines mageschneiderten Seidenpyjamas aufgeknöpft, es ausgezogen und ordentlich zusammengefaltet auf sein Bett gelegt hatte, fiel sein Blick auf einen weiteren, ebenfalls suberlich aufgeschichteten Stapel Wäsche. Dieser lag auf einem mit altrosa Brokat bezogenen Hocker ¬-und ein wehmütiges Lächeln schlich sich auf Frankies Gesicht. Seit er denken konnte, hatte ihn morgens solch ein Wäschestapel empfangen. Frisch duftend, gestärkt und gebügelt. Eine Aufforderung, den neuen Tag mit Schwung zu beginnen und ihn in ordentlicher Kleidung zu begrüßen.
Darauf hatte seine Mutter immer den größten Wert gelegt und Frankie hatte es stets ebenso gehalten. Mit Stolz, Liebe und Respekt dachte er an seine Mutter, die einen beachtlichen Anteil dazu beigetragen hatte, ihn zu dem zu machen, was er heute darstellte. Sie war immer seine erste Anlaufstelle gewesen, wenn er Probleme hatte, aber auch, wenn es etwas Lustiges oder Aufwühlendes zu erzählen gab. Sie hatte immer Verständnis für ihn gehabt und ihn mehr als einmal aus einer brenzligen Situation gerettet. Als er sie vor einigen Jahren zu Grabe hatte tragen müssen, war er zutiefst traurig, aber auch dankbar gewesen für die vielen guten Jahre, die sie zusammen hatten erleben dürfen. Und sie schaute, von wo auch immer, sicherlich mit Stolz auf ihren einzigen Sohn, der mit geradem Rücken und offenem Blick ihrem Sarg folgte, auf dem letzten, unausweichlichen Weg.
Der Tod war früh in Frankies Leben getreten, aber erst, nachdem er eine sorglose Kindheit hatte verbringen dürfen. Hier, im warmen Süden Italiens geboren als Frederico Piccine, einziger Sohn des Gemüse- und Obsthändlers und späteren Restaurantkettenbesitzers Carlo Piccine und seiner Gattin, Claudia Piccine, war das Leben für ihn heiter gewesen. Ihr Haus war groß und lag in einem der besseren Viertel der Stadt. Frankie hatte sich als kleiner Junge natürlich keine Gedanken darüber gemacht, woher das Geld für ihr angenehmes Leben stammte. Erst später sollte er erkennen, dass nicht jeder Mensch solch ein sorgenfreies Leben führen durfte und das alles seinen Preis hatte. Doch da war sein Weg schon vorgezeichnet und er wäre wohl auch keinen anderen gegangen selbst, wenn er gekonnt hätte.

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Fortsetzung:

Sein Vater war ein stattlicher Mann, nicht an Größe, sondern an Ausstrahlung, mit rabenschwarzem, glänzendem Haar und einem lauten, ansteckenden Lachen.
Carlo Piccine hatte sich aus ärmlichen Verhältnissen hochgearbeitet, ein kleines Obst- und Gemüsegeschäft gemietet und es dank gutem Geschäftssinn und Verbindungen sowie dem unbezahlbaren Talent, seine Kunden stets wie Könige zu behandeln, stetig weiter ausgebaut und die Konkurrenz nach und nach vom Markt verdrängt. So hatte er sich eine Position verschafft, die es ihm erlaubte, seine Waren immer etwas überteuert zu verkaufen und das erwirtschaftete Kapital erneut gewinnbringend anzulegen.
Trotz allem galt er als Stütze der Gemeinde, als guter Mensch und wurde von jedem mit Höflichkeit und Respekt behandelt. Seinem Vater verdankte Frankie seinen Spitznamen, den er ihm bereits im zarten Alter von drei Jahren verliehen hatte. Immer dann, wenn Carlo Piccine die Schallplatten des von ihm vergötterten Frank Sinatra auflegte, tanzte der kleine Frederico zu den Klängen der Musik und ahmte mit großen Gesten den berühmten Sänger nach. Dies führte stets zu Begeisterungsstürmen seines Vaters, der ihn nur noch den kleinen Frank nannte. Mehr und mehr wurde daraus Frankie, bis niemand -seine Eltern eingeschlossen - sich noch daran zu erinnern schien, wie er tatsächlich hieß. Frankie liebte seinen Vater, liebte sein dröhnendes Lachen, das oft durch das Haus schallte, und genoss es, auf Carlos Schoß zu sitzen und dessen Lebensweisheiten zu lauschen.
"Die Familie ist das Wichtigste, mein Sohn. Das darfst du niemals vergessen", pflegte Carlo Piccine oft zu sagen. "Ohne Familie sind wir verlassen und verloren." Sein Wahlspruch allerdings war folgender: ...

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Fortsetzung:

"Die Leute müssen nur wissen, was du bist, nicht wer du bist." Diesen Satz hörte Frankie so oft, dass er ihm in Fleisch und Blut überging und ihn sein Leben lang begleitete.
Wie genau sein Vater diesen Wahlspruch tatsächlich nahm, erkannte Frankie allerdings erst an seinem 14. Geburtstag. Alle Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen waren eingeladen. Familienfeste hatten seit jeher bei den Piccines einen großen Stellenwert und wurden ausgiebig gefeiert. Am Nachmittag zogen sich die Männer in das geräumige Wohnzimmer zurück. Die Frauen und Kinder machten es sich auf der Terrasse und im Garten bei Kaffee und Kuchen bequem. Auch Frankie wollte draußen bleiben und mit seiner Cousine Guilette Federball spielen, doch sein Vater hielt ihn zurück und bedeutete ihm mitzukommen.
"Du bist jetzt ein Mann", sagte Carlo. "Es ist an der Zeit, dich in die Familiengeheimnisse einzuweihen."
Mit vor Stolz geschwellter Brust folgte Fankie seinem Vater ins Wohnzimmer. Dort wurde er von den anderen Männern als neues, ebenbürtiges Mitglied der Runde begrüßt. Dann begannen Gespräche über Dinge, die Fankie anfangs nicht verstand. Verbindungen, Verbindlichkeiten und Gefallen, die man Leuten erweisen musste, deren Namen Fankie nicht kannte. Geldsummen wurden genannt, die ihm enorm hoch erschienen. Aufgaben wurden verteilt. Frankie bekam keine.
"Noch nicht ...", wie sein Vater ihn tröstete, und tatsächlich sollte sich das in den nächsten Jahren gründlich ändern. Als Frankie 15 Jahre alt wurde, kannte er sich bereits mit den Strukturen innerhalb der "Familia" bestens aus.

 

Briefe direkt an die Autorin: beatrixlohmann[at]gmx(.)de.

 

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